Niemand spricht mehr ihren Namen,
denn er gehört ihr nicht.
Die Menschen gaben ihn ihr – aus Angst,
aus Ehrfurcht oder aus Unwissen.

Nyxara – Die Wächterin der Schwelle (Medusa Rework)

Sie selbst kennt ihn nicht. Nur das Zischen. Das Wispern der Schlangen,
die sich durch ihr Haar und ihre Erinnerung schlängeln.

„Vel ...“ haucht eine. „...mira?“ fragt eine andere.
„Kaelith ... Aenor ...“ Namen wie Splitter, die keine Bedeutung für sie tragen und doch in ihr brennen.

Sie war einmal jemand. Vielleicht war sie verliebt. Ein Licht hatte vielleicht ihr Herz getragen – sanft, kühn, verloren.
Doch jetzt: nur noch Kälte, nur noch Dunkel.

Der Übergang hinter ihr pulsiert schwach. Eine unsichtbare Tür, die in die Welt der Wesen führt, die niemand mehr kennt. Träume aus Federn, aus Rauch, aus Stahl.
Ein vergessener Ort. Und für sie ein Fluch.

Die, die zu nah kommen

Die Schlangen erstarren, denn etwas nähert sich.

Eine Gruppe verirrter Seelen, vielleicht vier, vielleicht fünf. Junge Gesichter. Ruhelos. Neugierig. Sie lachen leise, glauben nicht an die Geschichten, glauben nicht an sie.

Nyxaras Blick hebt sich und Dunkelheit um sie zitterte.

Die Seelen frieren. Ihre Bewegungen stocken, als würde die Luft selbst den Atem anhalten.

Und dann sahen sie sie – ihre Augen, leuchtend wie gebrochenes Eis. Ihr Diadem aus Ketten und Knochen. Ihr Mund, mit zarten Lippen doch ihre Mundwinkel aufgerissen über die Wangen und bestückt mit markanten Reiß-Zähnen. Unzählige Schlangen auf ihrem Kopf und den Rücken herunter, die zischend erwachen, jede mit einer Erinnerung, jede wie ein Dolch.

Einer schrie.
Eine weinte.
Keiner sprach.

Sie flohen, taumelnd, stolpernd, zurück ins Licht. Sie werden erzählen, was sie gesehen haben. Und niemand wird ihnen glauben.

Nyxara senkte den Blick.

„Vel ...“, flüstert eine Schlange. Sie hörte es nicht mehr.

Die Stimmen der Schlangen

Die letzten Schritte der Flüchtenden hallten nach wie fliehende Herzschläge. Dann wurde es still. Nur der Nebel bewegte sich noch, tastend, als wolle er begreifen, was geschehen war.

Nyxara senkte den Blick. Ihre Augen verloren ihr Leuchten, wurden zu gläsernen Spiegeln. In ihnen: das Echo von Gesichtern, die nichts von ihr verstanden. Die sie sahen – und wegrannten.

Hinter ihr pochte das Tor.
Nicht wie ein Herz – sondern wie etwas, das sich erinnert, dass es einst lebendig war.
Der Riss in der Welt war kein sichtbares Tor, keine Tür aus Stein oder Holz.
Es war ein Spalt in der Luft, durch den Licht flackerte, das nach zu viel Zeit aussah. Ein Flirren, ein Atemzug, ein Summen, das sich tief ins Mark bohrte.
Kein Mensch verstand, was dahinter lag.
Nur sie.
Und selbst das: nicht mehr ganz.

Die Schlangen an ihrem Körper begannen sich zu regen. Langsam. Wie Gedanken, die aus dem Schlaf erwachten.

Eine züngelte Worte aus längst zerfallenen Sprachen.
„Du hast sie brennen lassen“, zischte sie, „du hast nicht gerufen.“

Eine andere drückte sich hart gegen ihren Hals. „Er wartete. Du kamst nicht. Er fiel.“

Zwei wanden sich umeinander, und das Echo ihrer Gedanken schien ihr eigenes Fleisch zu schneiden: Bilder von Feuer, von Blut, von einer Hand,
die nach ihr griff – und ins Leere fiel.

Nyxara kniete nieder.
Ihre Hände krallten sich in das Moos, das auf dem uralten Stein wuchs.
Ihr Körper bebte lautlos – doch ihr Innerstes schrie.

Die Flüsternde aus Silber

Und dann – bewegte sich die silberne Schlange.

Sie war kleiner als die anderen, aber in ihrer Bewegung lag etwas Sanftes, Erinnerndes.
Sie glitt über Nyxaras Schulter, legte sich an ihre Wange, und flüsterte kein Urteil – sondern ein Bild.

Ein anderer Ort. Licht, das durch Bäume fiel. Die Wärme einer Umarmung.
Ein Name. So nah, so flüchtig – Aelren.
Und das Versprechen: „Ich kehre zurück, bevor du dein Haar verlierst.“

Ein Gefühl von Geborgenheit. Eine Ahnung von dem, was einst war.
Die silberne Schlange ließ los, zog sich zurück in den Schatten der anderen.

Nyxaras Lippen zitterten. Kein Laut entwich. Nur ein Hauch:
„Warum hab ich vergessen ...?“

Der Junge, der blieb

Aus dem Nebel – kaum sichtbar – verharrte jemand.

Einer der Besucher war nicht geflohen.
Ein Junge, kaum älter als sie damals gewesen war, versteckte sich hinter einer Wurzel, wagte nicht zu atmen. Seine Augen geweitet. Nicht vor Angst. Sondern vor etwas anderem.
Er hatte nicht weggesehen. Er hatte sie nicht nur gesehen – er hatte sie gefühlt.

Und in seinen Gedanken begann ein leises Flüstern.
Nicht von ihr. Nicht von den Schlangen.
Vom Tor.
Es hatte ihn bemerkt.

Mehr als nur Wächterin

Der Junge wagte nicht, sich zu rühren.
Und während Nyxara auf den Boden kniete ihre Klauen noch vergraben im Moos,
geschah es.

Ein Puls durchlief das Tor.
Nicht laut – aber stark genug, dass der Nebel zu flackern begann.

Für einen Moment schien sich die Luft selbst zu öffnen, wie ein Atem, der seit Jahrhunderten angehalten worden war.
Etwas vibrierte im Boden, in den Bäumen, im Licht.
Etwas erkannte ihn.

Nyxara spürte es. Sie drehte sich nicht um – sie musste nicht.
Das Tor sprach selten. Doch, wenn es dies tat, dann vergaß sie für einen Wimpernschlag den Schmerz.
Und erinnerte sich daran, dass sie nicht nur Wächterin war.
Sondern auch der Schlüssel.

Dann wurde alles wieder still.

Drawn from Depth. Aus der Welt hinter dem Nebel 🐉🖤

Fragmente eines Anfangs – Sammelband I:
Zwischen Licht, Schatten und uralten Wesen

Mein erstes Buch. Das erste Echo meiner Kunst.
Es enthält mehr als:
✦ Mit über 50 Illustrationen
✦ Für Fans von emotioneller Kunst, dunkler Fantasie & persönlichen Geschichten
✦ Gedruckt in Farbe / ca. 76 Seiten

Licht und Schatten existieren nicht ohne Grund.
Und was du in diesem Buch findest, ist beides.
Es sind Fragmente einer Welt – gezeichnet, gedacht, gefühlt.

Die Hauptfigur ist Nyxara und ihre Backstory, sowie weitere Gedanken und Hinweise auf ihre Geschichte.

Vielleicht noch nicht mein perfektestes Werk, aber du wirst alle meine ersten Zeichungen - alle Fragmente meines Anfangs finden.
Eine Reise zwischen Licht, Dunkelheit und dem,
was in dir selbst mitschwingt.

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Velroth